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800 Kilometer deutsche Geschichte
Swen Geißler aus Lomnitz hat einen historischen Kammweg wiederentdeckt.
Darüber sind jetzt zwei Bücher erschienen.
Von Thomas Drendel
Swen Geißler auf einem der höchsten Berge der Tour, der Schneekoppe: Der Ingenieur
aus Lomnitz hat den alten Kammweg zwischen Böhmen, Sachsen und Polen
wiederentdeckt.
Lomnitz. Lausitzer Berge statt Lloret de Mar? Wenn Swen Geißler nach seinen
Urlaubszielen gefragt wird, dann ist die Verwunderung oft groß. Anders als die meisten
läuft er an seinen freien Tagen eher durch abgelegene Wälder, als am Strand zu liegen.
„Man muss nicht weit fliegen, um Interessantes zu entdecken. Das gibt es auch hier
ganz in der Nähe.“ Für ihn sind die Mittelgebirge an der Grenze zwischen Polen,
Tschechien und Sachsen so interessant, dass er zwei Bücher darübergeschrieben hat,
ein drittes folgt im kommenden Jahr. In allen drei geht es um den in Vergessenheit
geratenen Alten Kammweg, der sich vom Fichtelberg, Zinnwald, die Schneekoppe bis
in das Altvatergebirge zieht. Gut 800 Kilometer ist der lang.
Begonnen hat alles vor fünf Jahren. „Ich war mit Freunden in der Sächsischen Schweiz
und im Erzgebirge im Urlaub. Damals ist bei mir die Frage aufgetaucht. Wie sieht es
hinter der Grenze aus? Kleinere Abstecher nach Tschechien hatten wir schon gemacht.
Ich wollte es genauer wissen. Da habe ich im Internet recherchiert und bin ich auf den
Kammweg gestoßen.“ Für ihn ist er die ideale Möglichkeit, die Gegend zu erkunden.
Er wurde um das Jahr 1904 angelegt und führt meist auf böhmischem Gebiet auf den
Höhenlagen entlang. „Aus alten Archiven habe ich mir dann die Karten besorgt.
Glücklicherweise ist vieles über das Netz zugänglich“, sagt Swen Geißler. Als er für
die Strecke zwischen Fichtelberg und Osterzgebirge genug Material zusammen hatte,
ging es los. „Ich nahm mir eine Woche Urlaub und wollte sehen, wie weit ich komme.“
Viel war von dem Wanderweg nicht mehr übrig. „Die Wegezeichen fehlten komplett.
An manchen Stellen war der Weg auch zugewachsen oder statt des ausgewiesenen
Pfades verlief dort eine Straße.“ Allerdings stieß der Lomnitzer auf steinerne
Zeitzeugen. „Ich bin an verlassenen Dörfern vorbeigekommen. Oft waren nur noch die
Reste der Häuser zu sehen.“ Nach seinen Worten war die böhmische Seite des
Erzgebirges einst durch den Bergbau dicht besiedelt. Nach Ende des Zweiten
Weltkrieges verließen jedoch die Einwohner ihre Höfe. „Davon hat sich die Gegend
nicht erholt. Die Abgeschiedenheit und das raue Klima schreckt viele ab, sich hier
wieder niederzulassen.“ Knapp 300 Kilometer legte der Lomnitzer in dieser Woche
zurück. Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden, hatte er dabei nicht. „Es gibt
immer noch einige Hütten oder Pensionen. Wenn es gar nicht anders ging, habe ich
auch mal bei den Einwohnern nachgefragt. Sie waren immer sehr aufgeschlossen und
sehr überrascht, dass jemand sich für den Landstrich und seine Geschichte
interessiert.“
Wieder zu Hause, dann die Frage: Was mache ich mit den hunderten Fotos und den
akribisch notierten Wegverläufen? „Außerdem war ich ja auf historische Bauten
gestoßen und hatte dazu eine Menge Material recherchiert. Schnell war die Idee
geboren, ein Buch zusammenzustellen.“ Gesagt, getan: Der Alte Kammweg, Band 1,
erschien 2015. „Aber das war ja nur ein Drittel des gesamten Kammweges. Natürlich
lag es nahe, auch die restliche Strecke zu erkunden.“ Die Tour durch das Riesengebirge
war dann wohl die abwechslungsreichste Strecke. Herrliche Ausblicke teilweise über
der Baumgrenze, alte Bergbauden. „Jeder, der schon einmal in der Böhmischen
Schweiz war und die bizarren Felsformationen gesehen hat oder im Riesengebirge
unterwegs war, wird die Schönheit bestätigen“, schwärmt Swen Geißler. Zu diesem
Abschnitt war auch die Quellenlage besser. Viele alte deutschsprachige Zeitungen
können im Internet abgerufen werden. Auch im Riesengebirge ist Geschichte immer
noch mit den Händen greifbar. Auf dem Kamm sind beispielsweise noch die alten
Bunker zu sehen, die die Tschechoslowakei zum Schutz vor Hitlerdeutschland
errichtete. Sie wurden nie genutzt, da Böhmen bekanntlich 1938 an Hitlerdeutschland
fiel. „Hier ist Geschichte erlebbar. Es ist abzulesen, welche Entbehrungen die
Menschen durchmachten. Umso wertvoller ist es für mich, heute die offenen Grenzen
in Europa zu erleben.“
Neben Recherchen zu diesen Bunkern hat Swen Geißler Fakten zu Bergbauden,
Burgen und anderen Sehenswürdigkeiten zusammengetragen. Die sind dann natürlich
auch – besonders gekennzeichnet – in das Buch eingeflossen. Inzwischen hatte sich das
Erscheinen des ersten Bandes herumgesprochen. „Ich bekam Anregungen, wie ich
einiges besser machen könnte. Einer meldete sich und machte mir alte Karten
zugänglich.“ Das alles hat sich in dem zweiten Band niedergeschlagen. Der ist mit
knapp 400 Seiten deutlich umfangreicher als Band 1 mit seinen 160 Seiten. Wie dick
der dritte Band wird, ist noch unklar. „Die Strecke ist lang und ebenfalls sehr
interessant. Da gibt es sicherlich auch einiges zu erzählen.“ Die 800 Kilometer zu
wandern ist das eine, die Bücher herauszubringen, das andere. „Ich wollte die Bände ja
im Eigenverlag veröffentlichen. Dazu musste ich erstmal einen solchen gründen mit
ISBN- und Steuernummer und allem was sonst noch dazu gehört. Das war schon recht
aufwendig.“ Jetzt ist Swen Geißler zugleich Autor, Lektor und Chef des
Fernsichtverlages mit Sitz in Lomnitz. Sein Geld verdient er freilich anderswo. „Ich
entwerfe und konstruiere Wartehallen oder Bushaltestellen in einer Firma bei
Kamenz“, sagt er. In der Zeit als Autor und Verlagschef hat er auch viel gelernt. „Das
fing ja mit der Frage an, welches Format ich für die Bände wähle, welches Papier. Ich
habe mich für kleine handliche Exemplare entschieden. Das hat aber auch den
Nachteil, dass die Fotos recht klein sind. Heute würde ich auch detailliertere Karten
einfügen.“
Inzwischen ist eine Rezension seiner Bücher im Infoblatt des Deutschen Alpenvereins
erschienen. „Danach gab es zahlreiche Reaktionen. Aus den Zuschriften ist mir
klargeworden, dass keiner den Weg mit dem Buch in der Hand abläuft. Es ist eher ein
Lesebuch, das Interessenten in die Hand nehmen, wenn sie eine Tour planen oder
nachdem sie in den Regionen unterwegs waren. Das ist aber auch in Ordnung.“ Für ihn
ist es am wichtigsten, wenn er diese wunderschönen und interessanten Gegenden
anderen näherbringen konnte.
www.fernsichtverlag.de
Quelle: http://www.sz-online.de/nachrichten/800-kilometer-deutsche-geschichte-
3836940.html